Besuch der großen Dame
Wie Joshua Sobols und Paulus Mankers Alma das
Berliner Kornprinzenpalais verhext
Von Peter von Becker
Die Femme fatale, die in Romanen, Opern, Salons einst eine
Spur von Champagner, Blut, Saft und Tränen hinterließ,
erscheint uns heute wie ein unendlich ferner Traum. Und viel
weniger noch als Alptraum. Jetzt haben wir die Privat-Kanäle
und Bild-Seiten voller Partyluder, voller Bohlen-Tussen.
Aber keine heiligen, unheiligen Monster mehr. Bestenfalls
Silicon-Reklamen, doch keine Liebesgöttin von so aufregender
Natur, dass sich Männer ihretwegen noch umbringen oder
Kriege beginnen. Wenn sie nicht rettungshalber Romane, Bocksgesänge
und Symphonien schreiben.
So wird auch das Drama des Superweibs zur Erinnerung. Romantisch,
melodramatisch und sonderbar märchenhaft. Wie diese Alma,
die nun bis Ende Mai das Berliner Kronprinzenpalais mit ihrem
Spektakel erotisch, chaotisch und dazu kulinarisch verzaubert.
Um der in allen Räumen, in Hof und Garten spielenden
und bei einer veritablen Busfahrt bis zum Gendarmenmarkt ausgreifenden,
ausschweifenden Schau zu folgen, sollte man freilich die Vorgeschichte
ein wenig kennen.
Natürlich geht es um Alma Mahler-Werfel, die berühmteste
Künstler-Geliebte des 20. Jahrhunderts. Die Alma Mater,
die Mutter auch aller berüchtigten Künstler-Witwen.
Ein schönes Wiener Mädchen, als sich sehr früh
schon der Maler Gustav Klimt und der Komponist Alexander Zemlinsky
an ihr entzünden. Erstmals Ehefrau wird sie 1902 mit
22, als Gattin des Wiener Musikheros und Operndirektors Gustav
Mahler. Der verbietet ihr das eigene Komponieren und stirbt
1911, da hatte Alma bereits eine Affäre mit dem aufstrebenden
Berliner Architekten Walter Gropius, ihrem späteren Ehemann
Nr. 2. Noch vor der Hochzeit liebt Alma auch den Maler Oskar
Kokoschka, lässt sich von Gropius aber 1920 scheiden
wegen des Schriftstellers Franz Werfel.
Der Autor des in Hollywood verfilmten Welterfolgs Jakobowsky
und der Oberst blieb ihr letzter Ehemann, nicht ihr
letzter Liebhaber. Zu denen gehörte dann ein österreichischer
katholischer Ordensmann. Mönche mögens heiß.
Wie alle gefallenen Engel. Und Alma spielte auch sonst mit
dem Feuer. Ihren jüdischen Gatten Mahler und Werfel hielt
sie gern gegen ihre arischen Lover vor, sie pflegte
selbst als Weltbürgerin, die 1964 in New York gestorben
ist, einen eher antisemitischen Wiener Schmäh. Sie verachtete
die Nazis und verhandelte als Emigrantin dennoch mit ihnen
und fand sogar Herrn Hitler, als sie ihn einmal persönlich
sah, nicht ganz unsympathisch. Sie war, wie eine österreichische
Freundin sagte, eine große Dame und eine Kloake.
What a life! Das dachten sich auch der Wiener Theater- und
Filmschauspieler, Regisseur und Impresario Paulus Manker und
der israelische Dramatiker Joshua Sobol, Autor des von Peter
Zadek in Berlin uraufgeführten KZ-Musicals Ghetto.
Sobol verfasste das Monsterstück über die Monsterdame
Alma - A Show Biz ans Ende. Vor zehn Jahren zuerst
bei den Wiener Festwochen inszeniert, ist das hymnisch gefeierte
Spektakel inzwischen um die halbe Welt gereist. Man hat es
in allerlei Lebensorte der teuflisch göttlichen Alma
exportiert, hat in einem Palazzo in Venedig gespielt, in einem
Konvent über Lissabon, im prächtigsten Art-Deco-Filmpalast
von Alt-Hollywood und zuletzt in einem wunderbar morbiden
Renaissance-Schloss an den Donau-Auen östlich von Wien.
Dort glich das einer prachtvollen und zugleich spukhaften
Theaterreise in eine versunkene Welt. Ein toller Sommernachtstraum
(Tsp. vom 21. 8. 2005).
Mit jener Atmosphäre kann das Kronprinzenpalais natürlich
nicht konkurrieren. Außen zwar als klassizistische Hülle
nach der Kriegszerstörung wiederaufgebaut, zeigt es innen
im Normalzustand mit den niedrig abgehängten Decken und
seinen leicht angerußten DDR-Kristallleuchtern noch
den Charme des ehemaligen SEDRegierungsgästehauses. Doch
wie die Ausstatter Nina Ball und Georg Resetschnig nun Erichs
allerletzten Lampenladen verwandelt haben, scheint ein Wunder.
Wie für einen Film-Set wurden sinnestäuschende Marmorsäulen,
Stuckaturen und Wandfiguren installiert, wurde das Haus mit
Teppichen, Möbeln, Ölbildern, Grammophonen, Büsten,
Büchern und tausenderlei Requisiten in ein lebendes Museum
einstiger Boheme verwandelt. Vom Dachboden bis zum Keller
gibt es Salons, Boudoirs, eine 100-jährige Küche
(und in der Pause ein reales Festmahl fürs Publikum);
dazu hat Regisseur Paulus Manker im Erdgeschoss eine sehenswerte
Alma-Ausstellung platziert, mit Originalautographen, und am
schönsten ist eine Spukkammer im 1. Stock: Da hockt die
alte Alma als gespenstisch echte Nachbildung in einer offenen
Lift-Kabine.
Alles beginnt als Fest zu Almas 127. Geburtstag, bekrönt
von der ehrwürdigen Brecht-Schauspielerin Eleonore Zetzsche
als alte, ironiegeladene Ur-Alma, die ihre Geister von einst
wachruft: für die 200 zuschauenden Gäste des Abends.
Worauf neben den berühmten Gatten und Liebhabern auch
einander widerstreitend drei junge Almas auftreten. Wer von
ihnen die wahre sei, soll nach einer hübschen
Paraphrase der Ring-Parabel aus Lessings Nathan
das nunmehr durch alle Räume treibende Spiel erweisen.
Dabei folgt man nach Instinkt, Zufall oder auf Zuruf den drei
Alma-Darstellerinnen (Meriam Abbas, Wiebke Frost, Pamela Knaack),
folgt auch Almas Diener und Faktotum (glänzend als Almaniak
in wechselnden Rollen Albert Kitzl). Oder den spielerisch
etwas blassen Herren Mahler (Helmut Berger), Gropius (Wolfram
Rupperti) und Werfel (eindringlicher: Nikolaus Paryla). Filigranes
Kammerspiel gibt es da selten im Gedränge und fast ohne
Distanz zu den Akteuren. Es ist eine biographische, zeitgeschichtliche
Nacherzählung, in der Sobols mitunter etwas steifes Skript
immer wieder in großen Szenarien belebt wird: zum Beispiel
bei Mahlers Begräbnis im Palais-Garten, mit Fackeln,
schwarzem Fiaker und aufbrausender 10. Symphonie.
Zeitgeschichte: Das Spiel erinnert nicht nur an Almas Berliner
Intermezzo mit Gropius, sondern auch an die Bücherverbrennung
gleich nebenan auf dem heutigen Bebel-Platz, wo Werfels Romane
ins Feuer wanderten. Der Höhepunkt aber ist Paulus Mankers
Darstellung Oskar Kokoschkas, der seine Windsbraut
Alma mit einer Mischung aus mannskindstoller Geilheit und
fast religiöser Inbrunst begehrt, bespringt und am Ende
als nachgebaute Puppe orgiastisch zerreißt. Da ist sie
ganz präsent: die Almanie. Voll Witz, Wahn und Wucht.
Tanzend auf dem Grat zwischen Kitsch und Kunst.
Bis 27. Mai, Do-So. Karten unter Tel. 0177-2562 900.
> back
|
|