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                   Downtown LA als Symbol urbanistischer 
                    Erneuerung 
                    Amerikas Städte leben schnell. Galt downtown Los Angeles 
                    - die von öden Parkplatzarealen geprägte Stadtlandschaft 
                    zwischen dem vor 222 Jahren gegründeten Pueblo und den 
                    Türmen des Geschäftsviertels - vor wenigen Jahren 
                    noch als "City of Fear", so erlebt das Herz der 
                    südkalifornischen Metropole gegenwärtig eine wunderbare 
                    Transformation: Ein mexikanisch bunter Broadway, ein geschäftiger 
                    Fashion District, betriebsame Markthallen, restaurierte Baudenkmäler, 
                    noble Wohnhochhäuser und prachtvolle Sakral- und Kulturbauten 
                    machen Downtown zum neusten In-Bezirk der Riesenstadt, in 
                    dem man - laut "San Francisco Chronicle"- die "Bohemian 
                    Rhapsody" eines aufkeimenden Nachtlebens von der Roof 
                    Bar des hippen Standard-Hotels bis hin zu Little Pedro's Blue 
                    Bongo Bar vernehmen kann. 
                  Die Stadtwerdung der auch schon "Kapitale der Dritten 
                    Welt" genannten Megalopolis ist das Resultat vieler Häutungen 
                    und Metamorphosen. Als ihr strahlendes Symbol darf Frank Gehrys 
                    soeben eröffnete Disney Hall bezeichnet werden. Denn 
                    trotz Schwindel erregender Erscheinung ist dieses weltweit 
                    beachtete Monument ein Zeichen der Verdichtung in einer bis 
                    anhin von zentrifugalen Kräften und städtebaulichem 
                    Wildwuchs geprägten Stadt, die nun durch Schaffung von 
                    Wohnbauten, Boulevards und Grünanlagen neue Lebensräumeerhalten 
                    soll. Angesichts der Aufbruchstimmung geht leicht vergessen, 
                    dass Downtown in den Roaring Twenties mit bombastischen Premierenkinos 
                    und Theatern bereits einmal das pulsierende Herz der Stadt 
                    war. Doch dann läutete der Siegeszug des Autos den Niedergang 
                    der Innenstadt ein. Nach dem Wegzug der Oberschicht verlotterten 
                    die viktorianischen Herrensitze auf Bunker Hill, dem zentral 
                    gelegenen Villenhügel, so dass die mächtige Community 
                    Redevelopment Agency (CRA) in den zukunftstrunkenen fünfziger 
                    Jahren das Viertel niederwalzen liess, um Platz zu schaffen 
                    für die Glitzertürme einer bald schon weithin sichtbaren 
                    Skyline. 
                  Den Auftakt zur Neugestaltung von Bunker Hill machte das 
                    Hochhaus der Wasserwerke, das seither zusammen mit dem 27-stöckigen 
                    Art-deco-Turm der City Hall die Eckpunkte der Verwaltungsachse 
                    des Civic Center markiert. Quer dazu wurde entlang der auf 
                    dem abgeflachten Hügel verlaufenden Grand Avenue 
                    die dreiteilige Akropolis des Music Center mit der 1964 eröffneten 
                    Dorothy Chandler Hall realisiert. Schnell galt dieser auf 
                    Autofahrer ausgerichtete und von Brachen umgebene Verwaltungs- 
                    und Kulturbezirk abends und an Wochenenden als unsicher. Deshalb 
                    lancierte die CRA 1980 eine urbanistische Aufwertung der Grand 
                    Avenue zwischen dem Music Center und dem sich weiter südlich 
                    um die Central Library formierenden Finanzdistrikt. Doch statt 
                    auf den vom Büro Maguire & Thomas vorgelegten Entwurf 
                    einer kleinteiligen Bebauung durch renommierte Architekten 
                    wie Gehry, Legorreta, Moore und Pelli einzugehen, entschied 
                    sich die CRA für das Projekt von Fairview & Erickson. 
                    Aus diesem gingen schliesslich die von zwei Hochhäusern 
                    bewachte California Plaza und - als kleiner städtebaulicher 
                    Glücksfall - Arata Isozakis postmodernes Meisterwerk 
                    des Museum of Contemporary Art (MOCA) hervor. 
                  Der California Plaza gegenüber bilden seit 1984 die 
                    scharfkantigen Wolkenkratzer des Wells Fargo Center von SOM 
                    das Tor zur Hope Street. Diese gefällt sich auf der Länge 
                    von zwei Strassenblöcken mit ihrem beachtlichen Skulpturenschmuck 
                    und dem versunkenen Farngarten der Orchard Plaza schon heute 
                    als eleganter (aber nur wenig begangener) Boulevard, welcher 
                    zu den von Lawrence Halprin, dem Altmeister der US-Landschaftsarchitektur, 
                    als mediterrane Treppenanlage konzipierten Bunker Hill Steps 
                    führt. Sie verbinden I. M. Peis 330 Meter hohen Library 
                    Tower mit dem tiefer gelegenen Art-deco-Juwel der 1993 renovierten 
                    und erweiterten Central Library zu einem modernen Ensemble 
                    im Geist der City Beautiful, das ostwärts bis zum Biltmore 
                    Hotel reicht und seine Fühler über den 1994 von 
                    Ricardo Legorreta umgeformten Pershing Square fast bis zum 
                    Broadway hin ausstreckt. 
                  Die zunehmende Verdichtung des Finanzdistrikts machte mit 
                    chronisch überlasteten Freeways und astronomischen Parkplatzgebühren 
                    die Grenzen des Privatverkehrs deutlich, was in den frühen 
                    neunziger Jahren zum Bau der Red Line Metro führte. Gleichzeitig 
                    förderte die Stadt den Ausbau der Grand Avenue zur Kulturmeile. 
                    Diese schien nach der Eröffnung des MOCA und der Lancierung 
                    des Wettbewerbs für die Walt Disney Concert Hall im Jahre 
                    1987 zum Greifen nahe, bevor Rezession, Rassenunruhen und 
                    das Northridge-Erdbeben zu Verzögerungen führten. 
                    Erst die Wiederaufnahme der vorübergehend eingestellten 
                    Bauarbeiten an der Disney Hall, die Vollendung der Colburne 
                    School of the Performing Arts und der Wettbewerb für 
                    eine neue Kathedrale am Nordende der Avenue verliehen dem 
                    Projekt Kulturmeile wieder Aktualität. So plante man 
                    im Hinblick auf die Einweihung der prächtigen, von Rafael 
                    Moneo entworfenen Kathedrale vor einem Jahr und die Eröffnung 
                    der Disney Hall eine Umgestaltung der Grand Avenue zur Palmen 
                    gesäumten und mit Springbrunnen belebten Flanierstrasse, 
                    doch wird diese schöne Vision nun nur als Fragment verwirklicht. 
                   
                  Dafür hegt das Grand Avenue Committee Pläne zur 
                    Investition von mehr als einer Milliarde Dollar in Büro- 
                    und Wohnhochhäuser mit Restaurants, Kinos und Geschäften, 
                    die auf die vier östlich und südlich an die Disney 
                    Hall anschliessenden, seit bald fünfzig Jahren als Autoparking 
                    genutzten Brachflächen zu stehen kommen sollen. Die Stadt 
                    ihrerseits verfolgt Ideen weiter, die unterschiedlich genutzten 
                    Areale zwischen den Bauten des Civic Center in einen Stadtpark 
                    umzuformen. Von der fortschreitenden Reurbanisierung zeugen 
                    aber auch die 8000 Lofts und Apartments, die bis 2007 in Neubauten 
                    oder umgenutzten Denkmalobjekten entstehen und so den Wohnungsbestand 
                    in dem gut 1,5 Quadratkilometer grossen Geviert rund um Grand 
                    Avenue und Broadway auf 23 000 Einheiten erhöhen sollen. 
                    Schon wird - mit Blick auf Bilbao - vom "L. A. effect"gesprochen. 
                    Und in der Tat haben die Kulturbauten an der Grand Avenue, 
                    vor allem aber die Disney Hall bereits ein neues Bewusstsein 
                    von Urbanität aufkommen lassen. 
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