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                   Alma Mahler: Egoistin trifft auf 
                    Egoisten 
                    Kurier, 20. August 2002, von Henriette Horny 
                  Sie können mit Franz Werfel ins Exil gehen, zuschauen 
                    wie Oskar Kokoschka versucht Alma Mahler zu vergewaltigen, 
                    Gustav Mahler zu Grabe tragen oder Alma Mahler in ihrer Dreigespaltenheit 
                    bewundern. Sie können natürlich zwischen diesen 
                    und zahlreichen weiteren Szenen, die den Palazzo Zenobio mit 
                    theatralischem Leben erfüllen, auch frei flanieren. Sicher 
                    ist, Sie versäumen immer etwas, bei diesem Theater, das 
                    sich in zwei Palazzo-Etagen und im Garten breit macht und 
                    sogar eine kleine Bootsfahrt durch Kanäle inkludiert. 
                    "Alma" ist eine bewegte und bewegende Angelegenheit, 
                    die zeigt, dass weder einzelne Menschen noch Epochen in ihrer 
                    Komplexität je zu fassen sind. Nach erfolgreichen Jahren 
                    im Sanatorium Purkersdorf ist "Alma", das Erfolgstheater 
                    von Joshua Sobol in der Regie von Paulus Manker, nach Venedig 
                    übersiedelt. Am 22. August hat das Stück, das vom 
                    Wirken einer untergehenden Gesellschaft an der Wende des neunzehnten 
                    zum zwanzigsten Jahrhundert berichtet, im Palazzo Zenobio 
                    Premiere. 
                  In drei Previews wurde die für Venedig adaptierte Form 
                    vorgestellt. 
                    Die wichtigste Änderung ist die Sprache. In Venedig wird 
                    "Alma" in einem Gemisch aus Englisch und Italienisch 
                    mit deutschen Einsprengseln gespielt. Klingt verwirrend, ist 
                    aber erstaunlich geordnet. Begleitet man etwa Franz Werfel, 
                    ist man im italienischen Sprachzweig, Helmut Berger konversiert 
                    vornehmlich englisch, etc. Der zweite große Unterschied 
                    ist das Ambiente. Der Palazzo Zenobio ist ein mit Stuckelementen, 
                    Gemälden und Spiegeln reich verzierter Bau, der zudem 
                    mit Requisiten ziemlich voll geräumt ist. Hier ist man 
                    wirklich in einer anderen Welt, viel weiter entfernt der Gegenwart 
                    als in der klaren Architektur des Sanatoriums Purkersdorf. 
                  Die Darsteller Die Zerrissenheit von Alma tritt in den drei 
                    Darstellerinnen der jugendlichen Verführerin (Lea Mornar), 
                    der Erdigen (Nicole Ansari-Cox) und der Intellektuellen (Wiebke 
                    Frost) glänzend zu Tage. Der ewig leidende Franz Werfel 
                    wird von Nikolaus Paryla überzeugend gegeben und die 
                    brüchige Gestalt des Gustav Mahler, der zum Fortschritt 
                    tendiert, und fest im neunzehnten Jahrhundert wurzelt, verkörpert 
                    Helmut Berger perfekt. Wie in einem Rauschzustand und doch 
                    immer wieder sehr überlegt und berechnend zeichnet Paulus 
                    Manker die Figur des Oskar Kokoschka. 
                  Dass alle am Drama Alma Beteiligten grenzenlose Egoisten 
                    sind, die sich außer um ihre eigenen Belange wie Macht, 
                    Ruhm und Gefühle um nichts scheren, gipfelt in der Person 
                    der alten Alma (Milena Vukotic). 
                  Die Mehrsprachigkeit hat "Alma" noch um eine Dimension 
                    erweitert. Eine im besten Sinn internationale Produktion. 
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