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                   Interview mit 
                    Paulus Manker 
                    Die Presse, Wien (Schaufenster) 
                  Zwischen Aufführungen im Burgtheater, Dreharbeiten und 
                    einer für Herbst geplanten Uraufführung eines Stücks 
                    von Joshua Sobol in Tel Aviv hat Schauspieler & Regisseur 
                    Paulus Manker ("Weiningers Nacht, "Der Vater, 
                    "F@lco) den neuen Spielort für einen der größten 
                    Theatererfolge der letzten Jahre, Sobols "Alma - A Show 
                    Biz ans Ende, in Venedig gefunden. Und hat das Polydrama 
                    um "die femme fatale und Muse des 20. Jahrhunderts, 
                    Alma Schindler-Mahler-Gropius-Werfel, ihre Liebhaber und Ehemänner, 
                    für die neue Umgebung adaptiert. 
                  Schaufenster 
                    Wie sehen Sie Alma Mahler? 
                  Paulus Manker 
                    Sie war eine Ikone, aber man hat sie zur Kulturnutte nieder 
                    stilisiert und daran hat sie leider selber schuld gehabt durch 
                    ihre Autobiographie, die sehr eitel, sehr hoffärtig und 
                    sehr unkontrolliert herausgegeben ist. Sie hat vieles entschärft, 
                    vieles weggelassen und hat versucht, im Alter ihr Leben zu 
                    schminken. Das wär aber gar nicht notwendig gewesen, 
                    wie die Jugendtagebücher zum Beispiel zeigen, die ganz 
                    wild und weitsichtig und kühn sind. Man weiß mittlerweile 
                    durch umfassendste Biographien mehr über Mahler, Kokoschka, 
                    Werfel, als die wahrscheinlich über sich selbst wussten. 
                    Und kann daher Revision einlegen bei Almas Darstellung. Was 
                    manchmal vonnöten ist. Trotzdem ist sie eine tolle Frau. 
                    Und das haben zu ihrer Lebenszeit auch die Gegner, und es 
                    gab natürlich auch große Gegner, bezeichnenderweise 
                    immer die, die gerade mit ihrer Tochter Anna liiert oder verheiratet 
                    waren, Ernst Krenek, Elias Canetti haben kein gutes Haar an 
                    ihr gelassen, auch ihre Tochter war sehr kritisch  aber 
                    alle haben eine ungeheure Ausstrahlung konzediert, eine große 
                    Faszination. 
                   Sie spielen "Alma jetzt seit 1996. 
                  Paulus Manker 
                    Das Stück ist ein lebendiges Theaterstück, das wir 
                    nicht sechs Jahre wiedergekäut haben, sondern jedes Jahr 
                    neu erfunden haben. Teilweise mit neuen Szenen, teilweise 
                    mit neuen Schauspielern, heuer mit einem neuen Spielort und 
                    neuen Sprachen: Wir spielen ja deutsch, italienisch und englisch, 
                    was für uns eine große Herausforderung ist. Die 
                    meisten von uns kennen den Text ja, aber es ist nicht unsere 
                    Muttersprache. Wir sitzen schon seit Wochen wie das Karnickel 
                    vor der Boa vor unseren Texten.  
                  Wie lange braucht man dazu?  
                  Paulus Manker 
                    Monate. Um es wirklich so drin zu haben, daß Sies 
                    aus sich herausspülen oder herausschreien können. 
                  Wie sind Sie auf Italien als Spielort gekommen? 
                  Paulus Manker 
                    Es war eigentlich New York angedacht. Mit dem 11. September 
                    war das erstmal gegessen. In Venedig hat Alma ein Haus besessen, 
                    hat mit dem Werfel und mit der Gropius-Tochter dort gewohnt, 
                    und die Anna Mahler hat sie dort besucht. Und da gibt es noch 
                    diese Spuren, Leute, die sie gekannt haben, eine alte Dame, 
                    die ihr Taufkind ist. Und dann natürlich auch der Zauber 
                    einer untergegangenen Welt, dieses Phlegma und diese, wie 
                    soll ich sagen, Morbidität, die auch ein Qualitätsmerkmal 
                    von Purkersdorf war. 
                  Sie führen Regie, Sie spielen und Sie haben Erfolg. 
                    Wie sehen Sie die Theatersitation in Wien? 
                  Paulus Manker 
                    Die ist erschreckend und entmutigend für jemand, der 
                    vom Theater ein bißchen mehr will, als einfach Bildungsbürgertum 
                    bedienen oder von ihm bedient werden. Auch die ganze Wiener 
                    Kulturpolitik mit dem Wechsel des Kulturstadtrats, ist in 
                    einem Stadium völlig infantiler Unkenntnis. Extrem. Es 
                    ist wahnsinnig schwer, Dinge, die nicht in dieser Schiene 
                    des völlig Konventionellen laufen, hier auf die Beine 
                    zu stellen. Das einzige Theater, das nennenswert ist im Moment 
                    in Wien, ist das Schauspielhaus: "Medea war die 
                    beste Aufführung der Saison. Das wird nun wiederum von 
                    den Mitgliedern Ihrer Zunft überhaupt nicht bemerkt. 
                    Das ist ja ein eigenes Kapitel, die Ignoranz der Wiener Theaterkritik, 
                    die ja nie irgend etwas erkennt, geschweige denn fördert. 
                    Ein Erfolg wie "Alma zeigt, daß das Publikum 
                    bereit ist, Theater einmal anders zu genießen, näher, 
                    authentischer, unmittelbarer als im dunklen Loch des Zuschauerraumes 
                    und über die vierte Wand getrennt, was eine Theaterform 
                    ist, die aus royalistischen Zeiten und später aus dem 
                    19. Jahrhundert kommt, aber weder beim Shakespeare-Theater 
                    noch bei den großen antiken Theatern noch bei den mittelalterlichen 
                    Formen der Fall war. 
                  Sie haben eine spitze Zunge. Wie kommen Sie selbst mit Kritiken 
                    zurecht? Es gab ein paar böse für Richard III. und 
                    auch F@lco. 
                  Paulus Manker 
                    Da hat uns der Publikumserfolg hinweggetröstet. Natürlich 
                    schmerzt es, aber es ist nicht sehr wichtig. Es kann nicht 
                    wichtig sein, weil es von Leuten kommt, die nichts von mir 
                    verstehen und die auch nichts von mir verstehen wollen und 
                    die auch nichts von mir verstehen sollen. Von Alma sagen viele 
                    Leute, das ist das schönste Theatererlebnis ihres Lebens. 
                    Das ist ein Superlativ, der macht uns höchst dankbar 
                    und ermutigt uns. 
                  Das heißt Sie brauchen die Liebe oder besser das Interesse 
                    des Publikums? 
                   Paulus Manker 
                    Liebe, Liebe, Liebe! 
                  Wirklich? 
                  Paulus Manker 
                    Natürlich. Na hören Sie! Bei Alma kann man 
                    ja ganz nah sein, auf Tuchfühlung. Da war einmal wirklich 
                    einer zehn Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Zwei Zentimeter 
                    näher und er hätte mich berührt. Und kam nach 
                    der Vorstellung und sagte, "Ich habe Sie gestört, 
                    gell. Ich habe gesagt: "Nein, Sie haben mich nicht 
                    gestört, aber Sie waren wirklich sehr nah. Er sagte: 
                    "Ich mußte den Schmerz in Ihren Augen sehen. 
                    Und so was nehmen wir schon als Kompliment. 
                  Letzte Frage: Lieben Sie Theater eigentlich?  
                  Paulus Manker 
                    Ja. Ich glaube, man kann Theater nicht machen, wenn man es 
                    nicht mit dem höchsten Grad an Leidenschaft betreibt, 
                    wenn man nicht jeden Abend denkt, man ist das Zentrum der 
                    Welt. Vernunftmäßig weiß ich, daß ich 
                    es nicht bin und daß es das Theater nicht sein kann. 
                    Aber wenn Sie mit diesem Kleinmut auf die Bühne gehen, 
                    haben Sie meiner Meinung nach dort nichts verloren. Für 
                    die drei Stunden, die Sie sich dort ausbluten, müssen 
                    Sie Erdmittelpunkt sein. Alles andere ist langweilig und medioker 
                     und das wollen wir ja nicht sein. 
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